Herausgegeben durch den

Eine Demokratie, die alle mitdenkt, wird für alle stärker

Herausforderungen für inklusive Beteiligungsprozesse

Inklusion ist ein wichtiges Thema in der Demokratie. Der Anspruch ist, dass alle Menschen – unabhängig von körperlichen, geistigen, kulturellen oder sozialen Voraussetzungen – gleichberechtigt mitwirken können. Für die Bürgerbeteiligung ergibt sich daraus eine doppelte Relevanz: Inklusion als Thema, aber auch als methodischer Anspruch. Wir sprechen darüber mit Mohamed Zakzak. Er ist ein erfahrener Diplom-Sozialarbeiter mit libanesischen Wurzeln, der 1989 als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland kam und seit über 19 Jahren in der Sozialen Arbeit tätig ist. Er arbeitet als Inklusionsbeauftragter der Stadt Pforzheim und ist stellvertretender Vorsitzender des Fachverbands Bürgerbeteiligung.
Inklusion ist ein Thema, das Kommunen beschäftigt. Welches Sind die Rahmenbedingungen und Grundlagen für die Umsetzung?

Das das zentrale Fundament für die Inklusionspolitik in Deutschland ist die Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Mit ihrer Ratifizierung im Jahr 2009 verpflichtete sich die Bundesrepublik, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt in allen gesellschaftlichen Bereichen zu beteiligen – ob Bildung, Arbeit, Wohnen oder politische Teilhabe. In Artikel 29 fordert die UN-BRK ausdrücklich, dass Menschen mit Behinderungen effektiv und umfassend an politischen und öffentlichen Angelegenheiten beteiligt werden.

Für Städte und Gemeinden bedeutet dies nicht nur Anpassung bestehender Angebote, sondern die strukturelle Veränderung von Verfahren, Sprache, Zugangsmöglichkeiten und Entscheidungsstrukturen. Bürgerbeteiligung wird damit zur Schlüsselstrategie der Umsetzung.

Welche Rolle haben Inklusionsbeauftragte dabei?

Die Aufgabe der Inklusionsbeauftragten besteht darin, diesen Anspruch in lokale Maßnahmen zu übersetzen und dauerhaft im Verwaltungshandeln zu verankern.

Seit meiner Berufung zum Inklusionsbeauftragten der Stadt Pforzheim im Februar 2019 arbeite ich daran, Inklusion in allen Bereichen der Stadtpolitik zu verankern.

Inklusion verstehe ich nicht als abstraktes Ideal, sondern als konkrete demokratische Verpflichtung.

Ich orientiere mich dabei an den vier zentralen Prinzipien, die Beate Rudolf 2017 als Grundlage kommunaler Inklusionspolitik formuliert hat: Pflichtcharakter, Universalität, Selbstbestimmung und Verantwortung.

Pflichtcharakter meint, dass Inklusion ist kein freiwilliger Akt oder gutgemeintes Zusatzangebot ist , sondern eine rechtlich verankerte Verpflichtung. Kommunen und staatliche Akteure haben die Aufgabe, Maßnahmen zu ergreifen, die gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen.

Universalität sieht Inklusion nicht als exklusives Konzept für Menschen mit Behinderung, sondern richtet sich an alle, die gesellschaftlich marginalisiert werden – sei es aufgrund von Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion, Armut oder anderer Faktoren. Sie betont die Gleichwertigkeit aller Menschen und erkennt Unterschiedlichkeit als Normalität an. Damit ist Inklusion auch ein Schutzmechanismus gegen Diskriminierung und eine ethische Leitlinie für kommunale Sozialpolitik.

Selbstbestimmung meint nicht bloß Zugang zu bestehenden Angeboten, sondern die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie, wo und mit wem man leben, arbeiten oder lernen möchte. Autonomie ist dabei kein abstrakter Begriff, sondern Alltagspraxis:

Die Verantwortung für Inklusion schließlich liegt nicht bei den Betroffenen, sondern bei der Gesellschaft als Ganzem – insbesondere bei ihren Institutionen. Der Staat und seine Kommunen müssen Rahmenbedingungen schaffen, die Inklusion ermöglichen – durch Ressourcen, politische Prioritätensetzung und strukturelle Veränderungen. Das bedeutet auch, Macht und Gestaltungsspielräume bewusst zu teilen und offen für Kritik und Weiterentwicklung zu bleiben.

Inklusion heißt deshalb für mich, Räume zu schaffen, in denen alle Menschen – insbesondere jene, die bisher ausgeschlossen waren – ihre Stimme erheben, gehört werden und mitbestimmen können.

Was bedeutet Inklusion für die kommunale Bürgerbeteiligung?

Der folgende Inhalt ist nur für unsere Mitglieder zugänglich. Bitte logge dich ein, wenn du Mitglied im Fachverband Bürgerbeteiligung bist.

Anmelden
   
Diesen Beitrag teilen:

Das Magazin zur politischen Teilhabe

Gerne schicken wir eine kurze Email, sobald eine neue Ausgabe erscheint:

Weitere Artikel aus unserem Magazin

Best Practice

Andere Meinungen? Aushalten!

Beteiligung geht nur, wenn wir andere Meinungen aushalten. Einfach ist das nicht, aber es gibt Werkzeuge, die helfen können. Das Dialogformat demoSlam lädt dazu ein, sich auf menschlicher Ebene zu begegnen, andere Meinungen zu akzeptieren, ohne ihnen zuzustimmen, gemeinsam zu lachen, aber auch zu weinen.

Artikel lesen
Best Practice

Traditionelles Wissen und demokratische Innovation

Die Potenziale deliberativer Bürgerbeteiligung sind groß. Nicht nur im europäischen Kontext sondern auch unter ganz anderen Rahmenbedingungen. Besonders in Lateinamerika erleben demokratische Innovationen, wie beispielsweise Bürgerräte, aktuell starken Aufwind. Ein Einblick in die Herausforderungen und Lösungen des ersten Klimabürgerrats im Amazonasgebiet.

Artikel lesen
Kommentar

Bürgerräte im Reliabilitätstest

Bürgerräte erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Häufig stellt sich jedoch die Frage, wie reliabel die Ergebnisse dieser Prozesse sind. Wie zufällig und abhängig von der durchführenden Organisation sind Empfehlungen? Diese Frage stellt auch Timo Rieg in seinem Gastkommentar und kommt zu einer spannenden Forderung.

Artikel lesen
Interview

Flood the Zone with Love and Kindness

Marina Weisband ist Beteiligungspädagogin, Diplompsychologin und Autorin. Im Interview spricht sie über die Demokratie von heute, die Bedrohung des morgen und die Chancen für übermorgen, sowie über ihre persönlichen Erfahrungen mit Beteiligungsprozessen und wie gute Beteiligung gelingen kann.

Artikel lesen
News

Bundesregierung in Verantwortung

Mit Spannung wurde der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD erwartet. Doch noch wichtiger als der Koalitionsvertrag ist, wie in der Regierungszeit tatsächlich gehandelt wird. Wie die Bundesregierung aus ihrer Sicht handeln sollte, hat das Kompetenzzentrum Bürgerbeteiligung in einer Resolution zusammengefasst.

Artikel lesen
Best Practice

Wie aus Ideen Zukunft wird

Stadtentwicklung ist ein bekanntes Thema in der Beteiligung. Bekannt sind auch die Herausforderungen, die solche Prozesse bezwingen müssen. Wie können möglichst viele Bürger*innen informiert und beteiligt werden? Wie können innovative Ideen entwickelt werden? Und wie werden aus Ideen Visionen? Christina Schlottbom gibt einen spannenden Einblick in das Projekt „Zukunft_Garrel“.

Artikel lesen
Best Practice

Jugend-Kultur-Schmiede ERZ

Die Beteiligung junger Menschen ist ein zentraler Baustein für eine lebendige Demokratie. Doch gerade im ländlichen Raum fehlen oft Strukturen, um Jugendpartizipation nachhaltig zu verankern.

Artikel lesen
Best Practice

„Schimpfen-Spinnen-Schaffen“

Bürgerbeteiligung braucht einen Rahmen, braucht eine Idee, braucht Kraft, Motivation, braucht Perspektive, braucht Vertrauen und Zutrauen, braucht Haltung. Wie kann das in der heutigen Vielfalt der Herausforderungen unserer Gesellschaft gelingen?

Artikel lesen
Theorie

Gelingensbedingungen von Partizipation

Partizipation ist die Beteiligung von Individuen, ihre Meinungen in die Planung von Projekten einzubringen, die ihre zukünftige Umgebung gestalten. Doch welche Bedingungen braucht es, damit dies gelingt? Das untersucht Dr. Michael Mörike von der Integrata-Stiftung.

Artikel lesen
Literatur

Die Vertrauensfrage

Demokratie funktioniert nicht ohne Vertrauen. Dabei geht es weniger um das Vertrauen in Regierende und Parteien. Demokratie braucht vor allem unser Vertrauen in das demokratische Design an sich, also die Zuversicht, dass widerstreitende Interessen langfristig ausbalanciert werden können. Und wir brauchen Vertrauen in uns selbst, darauf, etwas bewirken zu können.

Artikel lesen