Wer Beteiligungsprozesse begleitet, trifft zunehmend auf die Einstellung „Wer nicht meiner Meinung ist, ist mein Feind“. Und dass da nicht selten auch „Fakenews“ im Spiel sind, macht die Sache nicht einfacher. Auch für uns selbst nicht, da es bisweilen schwer ist, solche Meinungen auszuhalten.
Genau da setzt demoSlam an: als ein neues Dialogformat, das den Rahmen schafft, in dem jede Meinung willkommen ist – und alle Beteiligten aushalten können, eine konträre Meinung auch mal im Raum stehen zu lassen. Das Schöne daran: Menschen müssen auch gegen krude Theorien plötzlich nicht mehr ankämpfen, geben ihnen aber trotzdem keine wirksame Plattform.
demoSlam bringt Paare auf die Bühne, die kontroverse Meinungen zu (meist gesellschaftlich diskutierten) Themen vertreten. Ziel der beiden ist nicht, sich gegenseitig zu überzeugen. Es geht vielmehr darum zu verstehen, warum die oder der andere diese Meinung hat. Und das braucht Zeit. Deshalb ist vor den eigentlichen demoSlam, der meistens an einem Sonntagabend in der Öffentlichkeit stattfindet, ein „Verständigungs-Workshop“ geschaltet. Eng begleitet durch ein Trainerpaar arbeiten die Slammer*innen dabei Kontroversen, aber auch Gemeinsamkeiten zu dem Thema heraus.
Die Zutaten: eigene Erlebnisse und Humor
Dabei geht es nicht um Fakten oder den Ansatz, anderen die Welt zu erklären. Es geht darum, die Beweggründe meines Gegenübers zu verstehen und sie oder ihn (wieder) als Mensch zu akzeptieren. Gewissermaßen schauen wir dabei unter die Spitze des Eisbergs, mit immer wieder denselben Fragen: „Welche Gefühle löst das in Dir aus, wenn Du die Meinung Deines Gegenübers hörst? Was hast Du erlebt, das Dich zu Deiner Sichtweise bringt?“.

Nicht selten ist das eine schwere Geburt. Oft fließen dabei auch Tränen, wenn im Workshop über Verletzungen, traumatische Erlebnisse oder Verlustängste gesprochen wird. Doch plötzlich wird der Mensch hinter der konträren Meinung sichtbar, und das schweißt zusammen. So gelingt es, dass die Slampaare dann im zweiten Teil des Workshops mit großem Eifer und Ehrgeiz daran arbeiten, die Geschichten hinter ihren eigenen Positionen auf die Bühne zu bringen – mit Rollenspielen, Fotogeschichten, Präsentationen oder manchmal auch einfach nur dem gesprochenen Dialog.
Kein Konsum, sondern eigene Beteiligung
Die sprachliche Nähe zu den bekannten Formaten Poetry Slam und Science Slam ist natürlich kein Zufall. In allen drei Fällen geht es darum, einem Publikum etwas mit auf den Weg zu geben – und zwar auf unterhaltsame, leichtfüßige Art und Weise. Aber während den Gästen beim Poetry oder Science Slam nur die Rolle des hoffentlich begeisterten Publikums zugedacht ist, sind sie beim demoSlam ein wichtiger Teil des Ganzen: Nach den etwa zehnminütigen Auftritten der Slampaare sind sie gefragt, ihre eigenen Meinungen zu äußern. Und zwar, genau wie die beiden auf der Bühne, nicht aus Sicht der Expertin oder des Experten, sondern als Mensch, auf Grundlage eigener Erlebnisse und Gefühle.

Immer wieder verblüffend ist, wie gut das funktioniert. Auch in einem Kreis von mehr als 100 Menschen berichten die meisten über persönliche Geschichten oder eigene Betroffenheiten. Geschichtsbücher, Wikipedia oder auch Medienberichte werden so gut wie nie als Beleg herangezogen. Und das schafft Nähe. Viel wird gelacht, nicht selten fließen aber auch Tränen, wenn jemand ein persönliches Schicksal erzählt. So schaffen alle gemeinsam einen geschützten Raum, der große Nähe und Verständnis für die Vielschichtigkeit der Meinungen erzeugt. Und in dem Menschen auch vermeintlich Unsagbares aussprechen – und alle im Raum aushalten, dem zuzuhören. Dass beleidigende, menschenverachtende Äußerungen tabu sind, versteht sich dabei von selbst.
Verstehen, ohne einverstanden zu sein
Das ist vielleicht das wichtigste Ziel bei demoSlam – uns im Kern gegenseitig zu akzeptieren, auch wenn wir unterschiedliche Auffassungen von den Dingen in der Welt haben. Es kann ein erster Schritt für uns alle sein, auch selbst aus unserer eigenen Echokammer herauszutreten und denen, die in anderen Blasen leben, die Hand der Verständigung zu reichen.

Damit ist demoSlam ein schönes Format für alle, die echte Beteiligung im Blick haben. Und die Grenzen sind auch gleich klar: demoSlam direkt zur Vorbereitung von Sachentscheidungen oder für Konsensfindung einzusetzen, wäre unklug.
Neugierig geworden?
Zwei Kurzvideos gibt´s unter https://youtu.be/gggtuoUdt1U und https://youtu.be/i9loK0q0Aqs, mehr Infos www.texted.de/demoslam oder bei MAGNET – Werkstatt für Verständigung, wo das Format entwickelt wurde (www.demoslam.org).
Wer Interesse hat, selbst einen demoSlam zu besuchen oder sogar einmal zu „slammen“, kann sich auch unverbindlich an demoslam@texted.de wenden.









