In unserer digital vernetzten Welt ist es kaum noch möglich, einen Kaffee zu trinken, ohne dass jemand online eine Petition startet, eine Bürgerinitiative ins Leben ruft oder eine Hashtag-Kampagne lostritt. Früher war das eine Angelegenheit für Politiker, die sich im Gemeinderat in den vielen Sitzungen ihr jeweiliges Sitzungsgeld regelrecht im Dauersitzen verdient haben: „Jetzt sagt der nochmal dasselbe, obwohl all´ die konkurrierenden Fraktionen das eben schon in ihrer epischen Langform getan haben…“
Und anschließend hat man dann das befreundete Büro genommen, den Handwerker, den Architekten, die Fachfrau, die oder den man schon kennt oder nach der Ausschreibung das absolut günstigste Angebot, das Beste, das Bekannte, das Übliche, das von nebenan…, „was, den gibt es gar nicht mehr…, der war doch immer so nett …“
Und heute?
Da wird eine Plattform eingerichtet, auf der Bürger Vorschläge machen, Bilder hochladen und über die Sitzhöhe einer Sitzgelegenheit abstimmen.
Das erste Ergebnis?
Ein Vorschlags-Feuerwerk, so bunt und chaotisch wie ein Kindergeburtstag nach zu viel Zucker-Einsatz. Manche wollen eine Bank mit eingebautem WLAN, andere eine, die auch als Yoga-Station taugt. Und wieder andere fordern eine Bank, die gleichzeitig als Rutschbahn dient – für den Fall, dass die Kinder mal wieder keine Lust auf den Spielplatz haben.
Was passiert, wenn die Bürger mehr mitreden als die Politiker?
Richtig:
Es wird laut, manchmal auch ziemlich laut. Diskussionen, so hitzig wie das wichtigste Fußballspiel der Saison, bei dem der Schiedsrichter die Nerven verliert und alle plötzlich Experten für alles sind. Wir kennen das: 82 Millionen Bundestrainer geben sich vor dem Bildschirm die Ehre, … oder Blöße.
Manchmal fühlt es sich an, als ob jeder eine Meinung hat – nur keiner wirklich zuhört. Statt konstruktiver Debatte gibt’s dann eine Flut von Kommentaren, die so vielfältig sind wie die Geschmäcker bei einem All-you-can-eat-Buffet. Und was macht man, wenn die Bürger so viel mitreden, dass die Politik und erst recht die Verwaltung kaum noch hinterherkommt?
Man könnte meinen, es ist ein digitaler Kaffeeklatsch, bei dem alle ihre Meinung loswerden – aber kaum jemand wirklich zuhört. Meinungen, mit denen man kaum was anfangen kann.
Das zweite, noch viel bessere Ergebnis?
Ein Durcheinander aus Vorschlägen, Forderungen und Meinungen, bei dem man kaum noch durchblickt. Gesellschaftlich gesehen ist das eine Revolution, die vor allem eines zeigt:
Wir sind auf dem Weg, eine Gesellschaft zu werden, in der jeder mitreden will und darf, im verborgenen Chatraum oder bei den berühmt berüchtigten „Zukunftswerkstätten des guten Gewissens“ – aber kaum noch jemand weiß, was eigentlich noch zählt.
Die Algorithmen spiegeln mir eh´ die Welt vor, wie sie mir gefällt … der Rest interessiert nicht.
Demokratie 2.0?
Eher Demokratie im Dauer-Update, bei dem die Nutzer ständig neue Features fordern, aber kaum noch auf die Alten hören. Und eine echte, faktenbasierte Recherche, was ist das?
Und das Beste?
Am Ende bleibt nur die Frage: Wird das alles besser? Oder ist das nur ein weiterer Trend, bei dem wir alle mitreden – und keiner mehr wirklich entscheidet?
Vielleicht ist es ja beides.
Hauptsache, wir lachen noch, wenn die nächste Bürgerinitiative eine Bank fünf Meter hoch baut – für den Fall, dass jemand mal wieder eine bessere Idee hat.
Oder: Uns vergeht das Lachen noch, weil ganz andere Kräfte das Land mit billigen populistischen Parolen für sich gewinnen. Denn diese Kräfte wissen ganz genau, was sie wollen und ich weiß, dass ich das nicht will.
Wir bleiben wachsam und wehren uns gegen solche Anfänge. Gute Beteiligung gehört dazu.









