Für eine nachhaltige Stärkung unserer Demokratie

Stellungnahme des Vorstandes des Fachverband Bürgerbeteiligung e.V. zum Umgang mit Rechtsextremismus

In den letzten Tagen und Wochen haben sich Hunderttausende Menschen in ganz Deutschland friedlich versammelt, um sich für den Erhalt eines demokratischen Miteinanders zu einzusetzen. Mit ihrem Protest wollen sie ein sichtbares Zeichen setzen: Gegen eine autoritäre und menschenfeindliche Agenda, mit denen radikale rechtsgerichtete Gruppen die Macht in unserer Gesellschaft ergreifen wollen.

Als professionell in der politischen Teilhabe Tätige begrüßen wir das Engagement einer nicht mehr schweigenden gesellschaftlichen Mehrheit ausdrücklich.

Aus zahllosen Untersuchungen und Befragungen der letzten Jahrzehnte wissen wir, dass sich der überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger mehr und häufigere Möglichkeiten der Mitsprache und Mitwirkung wünscht.

Das ist kein Gegensatz zu den bewährten Instrumenten der repräsentativen Demokratie. Es weist jedoch über diese hinaus und ergänzt sie.

Als Verband der Beteiligungspraktikerinnen und -praktiker wissen wir sehr genau, dass der Instrumentenkasten für konstruktive und wertschätzende Beteiligung hervorragend gefüllt ist. Die Frage nach dem “Wie” weiterer Bürgerbeteiligung ist hinreichend geklärt, doch es gibt eine Umsetzungslücke.

Als Fachverband Bürgerbeteiligung rufen wir dazu auf, den Schwung, der sich derzeit auf unseren Straßen, Plätzen und in unseren Herzen zeigt, zu nutzen.

Was es aus unserer Sicht braucht, ist folgendes:

  • Demokratie braucht Übung. Demokratie ist kein Zustand; sie muss gelernt, praktiziert und möglichst täglich erlebt werden. Die echte Chance dazu bieten Beteiligungsverfahren, in denen Menschen ihre Kompetenz einbringen, ihren Bedürfnissen Geltung verschaffen und sich mit anderen auseinandersetzen und austauschen können.
  • Demokratie braucht Ressourcen. Aktuell wird Beteiligung bei der öffentlichen Hand oft von Menschen gemacht, die eigentlich andere Aufgaben haben, finanziert mit Mitteln, die eigentlich für etwas anderes vorgesehen sind. Das muss sich ändern. Demokratieentwicklung braucht dezidierte Personalstellen, klare Zuständigkeiten und einen festen Schlüssel im Budget.
  • Gute Beteiligung braucht Kompetenz. Das Handwerk der Bürgerbeteiligung ist derzeit bestenfalls schmückendes Beiwerk in einer Handvoll von Studien- und Ausbildungsgängen. In der Verwaltungsausbildung findet es so gut wie gar nicht statt. Hier sind die Hochschulen und Ausbildungsinstitute aufgerufen, das Berufsfeld Beteiligung endlich als solches zu erfassen und passende Berufsbilder zu entwickeln. Auch wir als Berufsverband wollen hierzu einen gewichtigen Beitrag leisten.
  • Demokratie braucht eine wertschätzende Kultur und die kann Beteiligung bieten. Unsere demokratische Kultur ist sehr stark von den Logiken des Wettbewerbs geprägt: In Wahlkämpfen ebenso wie in der politischen Debatte. Doch dies erfolgt zu häufig in der Abwertung der anderen – sowohl der anderen Argumente, aber auch der anderen Personen. Darin sollte sich Demokratie nicht erschöpfen. Beteiligung rückt das Miteinander und und den Wert des Zuhörens in den Fokus, das Ringen um gute, gemeinsam getragene Lösungen.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns der viel zu lange aufgeschobenen Frage nach der Weiterentwicklung unserer Demokratie nun mit Mut, gegenseitigem Respekt, Experimentierfreude und dem echten Willen zu Veränderung stellen.

Große Teile der Bevölkerung, das erleben wir täglich, freuen sich über ehrliche Gesprächs- und Beteiligungsangebote.

Wenn wir unsere Demokratie nachhaltig stärken wollen braucht es mehr davon.

Viel mehr.